Vom Versuch, eins zu werden

Die Bemühungen des Arbeitskreises kritischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (KRIBIBI) um ein einheitliches Bibliothekswesen in Österreich

Von Nikolaus Hamann

Dieser Text ist Teil der Festschrift für den scheidenden Direktor der Universitäts- und Landesbibliothek in Innsbruck, Dr. Martin Wieser, die im November 2014 erschienen ist.

Nach einem kurzen Rückblick auf die Geschichte des Bibliothekswesens unter besonderer Berücksichtigung des Aspekts der Zugänglichkeit schildert der Beitrag die Entwicklung des Arbeitskreises kritischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare in Österreich (KRIBIBI | www.kribibi.at) von einer Organisation für BibliothekarInnen an öffentlichen Büchereien hin zu einer Gruppe, die das gesamte Bibliothekswesen im Blickfeld hat. Im Anhang findet sich eine Umfrage unter führenden und besonders aktiven VertreterInnen des Bibliothekswesens hinsichtlich einer Zustimmung oder Ablehnung der Ziele von KRIBIBI.

Einleitung

Die Voraussetzung für das Entstehen von Archiven und Bibliotheken war die Entwicklung von Schrift. Vorher waren sie nicht notwendig, da das – zum größten Teil gemeinsame – Wissen ausschließlich mündlich weitergegeben werden konnte. Das ist an und für sich eine Binsenweisheit und braucht nicht weiter erläutert zu werden.

Interessanter ist, dass das Entstehen der ersten Schriften sich parallel zur sich über Tausende von Jahren erstreckenden „neolithischen Revolution“ vollzog, also parallel zum Übergang vom gemeinschaftlichen Eigentum der Horde oder des Stammes zum Privateigentum an Produktionsmitteln, also des Privatbesitzes an Grund, Boden und Viehherden. Schrift entstand also zur gleichen Zeit wie der Übergang von der Gesellschaft der Jäger und Sammler zu Ackerbau und Viehzucht, der Entstehung der ersten Klassengesellschaften und der ersten Gründungen von Staaten. Privateigentum musste be„schrieben“, staatliche Verordnungen und Verwaltungsakte schriftlich niedergelegt werden. Es ist daher nachvollziehbar, dass die ersten in Bibliotheken und Archiven gespeicherten „Dokumente“ Aufstellungen über Besitztümer bzw. Handels- und sonstige Verträge sowie Gesetze waren.

Archive und Bibliotheken begannen also als Erscheinungsformen des Klassenstaates zu existieren, folgerichtig musste der Zugang zu dem in ihnen gesammelten Wissen auf die Eliten begrenzt werden, was einerseits durch die Beschränkung der Kenntnis des Schreibens und Lesens auf wenige Personen bewirkt wurde, andererseits durch die Platzierung der Dokumente in nicht öffentlich zugänglichen Gebäuden.

An diesen Verhältnissen hat sich über viele Jahrtausende nicht viel geändert. Bis zum Ende des Mittelalters blieben sowohl Bildung als auch Zugang zum Wissen auf ganz wenige Privilegierte beschränkt. Dies lässt sich auch an der engen räumlichen Verbindung zu weltlichen und später auch kirchlichen Zentren der Macht ablesen. Erst mit dem langsamen Aufkommen des Bürgertums in der Renaissance wurde es notwendig, den Zugang zu Wissen etwas zu erweitern – es entstanden Universitäten und mit ihnen die ersten Bibliotheken, die nicht an Fürstenhöfen und Klöstern situiert waren. Immer noch aber war Bildung ausschließlich Bildung der Eliten, für das Volk war solche nicht vorgesehen – und ökonomisch auch nicht nötig.

Das Entstehen von Manufakturen und ersten Industrien brachte das erste Mal die Notwendigkeit mit sich, auch den unterdrückten Klassen Basiskenntnisse in Lesen, Schreiben und Rechnen zu vermitteln, was eine Verpflichtung zum Schulbesuch für alle erforderlich machte. Dies führte in allen Staaten, deren Gesellschaftsform sich vom Feudalismus zum Frühkapitalismus wandelte, zu gespaltenen Schulsystemen: Basisbildung für das Volk, erweiterte Bildung für die herrschende Klasse und für die, deren Aufgabe es sein sollte, die Herrschaftsverhältnisse zu stützen und zu sichern.

Die – ökonomisch notwendig gewordene – Verbreiterung des Zugangs zu Wissen war für die Eliten allerdings immer ein zweischneidiges Schwert; einerseits erforderlich, um die Wirtschaft weiter zu entwickeln, andererseits gefährlich, weil mehr Bildung auch zu mehr Einsicht in die Ungerechtigkeit der Klassengesellschaft und vor allem zu mehr Weitsicht bezüglich der Möglichkeiten, diese zu verändern, erlaubte. Folgerichtig entwickelten sich, unter aktiver Beteiligung der unterprivilegierten Schichten, nun neben den Bibliotheken der Elite sogenannte Volksbüchereien. In stärker demokratischen Gesellschaften wie in England, den Niederlanden und den skandinavischen Staaten wurden daraus die „Public Libraries“, die durchaus auch Funktionen von wissenschaftlichen Bibliotheken übernahmen, in den meisten Fällen durch Gesetze geregelt und abgesichert. In Österreich und Deutschland hingegen besteht die organisatorische Trennung zwischen „öffentlichen“ oder „Volks“büchereien und wissenschaftlichen Bibliotheken bis jetzt.

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Internationale Konferenz zu Informationsfreiheit

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Auf Initiative des Arbeitskreises kritischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (KRIBIBI / www.kribibi.at) fand am 28. Februar und 1. März 2014 im Kuppelsaal der Technischen Universität Wien die internationale Konferenz „Freedom of Information under Pressure. Control – Crisis – Culture“ (http://freedom-of-information.info) statt. Organisiert wurde sie von Univ.Prof. i.R. DI Dr. Peter Fleissner (www.transform.or.at), Dimitris Tsapogas, MSc (Universität Wien) und Nikolaus Hamann (KRIBIBI).

Mehr als 30 SprecherInnen aus acht europäischen Ländern waren eingeladen, über verschiedene Aspekte von Informationsfreiheit und deren aktuelle Bedrohung zu berichten. An der Konferenz beteiligten sich knapp 300 Personen, auf die Live-Übertragung im Internet wurden mehr als 15.000 Zugriffe verzeichnet. Die während der Konferenz aufgezeichneten Filmsequenzen können aber auch jetzt noch unter http://www.kribibi.at/mitschnitt-konferenz-freedom-of-information angesehen werden.

Finanziert wurde die Konferenz im Wesentlichen von transform! european network (http://www.transform-network.org/home.html), dem Wissenschaftsministerium, das die gesamten Kosten der Simultanübersetzung übernahm, dem Unterrichtsministerium und dem Karl-Renner-Institut, welches für die ausländischen SprecherInnen kostenlose Hotelzimmer zur Verfügung stellte. Zu erwähnen ist noch die großzügige Hilfe der griechischen Organisation „The Press Project“, die das Live-Streaming gratis erstellte. Trotzdem wäre die Durchführung der Veranstaltung ohne die vielen kleineren Beträge nicht möglich gewesen. Die unterstützenden Organisationen sind auf der Konferenz-Webseite sichtbar gemacht.

Strukturiert war die eineinhalbtägige Konferenz in ein Hauptreferat, das von Gillian Phillips (Director of Editorial Legal Services, Guardian News & Media) gehalten wurde, und vier Podiumsdiskussionen mit je einem Einleitungsreferat. War auch die ursprüngliche Idee von KRIBIBI ein Kongress mit starkem Bibliotheksbezug, so erforderten die von Julian Assange, Edward Snowden und anderen aufgedeckten illegalen Maßnahmen von Überwachung und Ausspionieren praktisch aller nur möglichen Kommunikationswege in ungeahntem Ausmaß sowie die aktuellen Behinderungen und Verfolgungen, ja sogar Bedrohungen von kritischen JournalistInnen eine dementsprechende Reaktion. Dennoch blieben auch bibliothekarische Inhalte erhalten, die im dritten Panel am Samstag-Nachmittag behandelt wurden. Die Diskussionsbeiträge von Nikolaus Hamann und Dr. Lisa Schilhan (Universitätsbibliothek Graz)  finden Sie im Anschluss an diesen Bericht.

Nach den Begrüßungs- und Eröffnungsansprachen sowie dem Hauptreferat von Gillian Phillips widmete sich das erste Podium, das in Kooperation mit der Tageszeitung „Der Standard“ von Gerfried Sperl moderiert wurde, dem Thema „Media and Journalism under Pressure“. Sechs JournalistInnen, unter ihnen die Doyenne der österreichischen AuslandsjournalistInnen Susanne Scholl, berichteten von ihren Erfahrungen und Problemen mit freiem Zugang zu und freier Weitergabe von Informationen. Den Abschluss des Tages bildete ein launiges Referat des ORF-Journalisten Erich Möchel, der erläuterte, wie JournalistInnen (und andere Menschen) sich mit relativ einfachen Mitteln vor Überwachung schützen können.

Den Auftakt am Samstag gestaltete der österreichische Professor an der Universität Westminster, Christian Fuchs, mit einem Referat über "Social Media, the Internet, (Un)Freedom and the Public Sphere in Times of Crisis". Daran schloss die zweite Podiumsdiskussion „Surveillance and Whistle-Blowing“ an. Fragen der illegalen Überwachung, des Drucks und der Bedrohung den AufdeckerInnen gegenüber und Maßnahmen der gesellschaftlichen wie persönlichen Verteidigung des Datenschutzes standen im Mittelpunkt.

Nach dem gemeinsamen Mittagessen thematisierte das „österreichischste“ Podium der Konferenz, an dem auch Terezija Stoisits, Vizepräsidentin der österreichischen Liga für Menschenrechte, ehemalige Volksanwältin und Abgeordnete zum Nationalrat teilnahm, Aspekte des Rechts auf Zugang zu Informationen und öffentlichem Wissen. Neben einem Bericht von Markus >>fin<< Hametner über die äußerst unbefriedigende Situation in Österreich, die Transparenz von politischen Entscheidungen und Verwaltungsakten betreffend (Österreich ist das einzige Land, das Amtsverschwiegenheit in der Verfassung verankert hat), und einer Schilderung von Paloma Fernández de la Hoz (Katholische Sozialakademie) über die Bedeutung von Informationsfreiheit für die politische (Erwachsenen-) Bildung versuchte Nikolaus Hamann, entlang der Geschichte des Bibliothekswesens aufzuzeigen, dass der Zugang zu Information und Wissen immer eine gesellschaftliche Machtfrage war, wobei die heutige Zeit vor allem dadurch gekennzeichnet ist, dass – zumindest in den demokratischen Ländern – Informationsfreiheit nicht mehr so sehr von der staatlichen Macht beschränkt wird, sondern vor allem durch die ökonomische Macht monopolisierter Medienkonzerne und Verlage. In diesem Zusammenhang verwies Hamann auf die gerade anlaufende Kampagne der EBLIDA „The right to e-read. Legalize it!“, mit der versucht werden soll, auch im Bereich der e-Medien urheberrechtliche Zustände herzustellen, die es den Bibliotheken ermöglichen, auch e-books frei erwerben und wie physische Bücher verleihen zu können. Lisa Schilhan von der Grazer Universitätsbibliothek erläuterte die vor etwa 30 Jahren eingesetzt habende Gegenbewegung zur Macht der Verlage im Wissenschaftsbereich und die Bedeutung sowie Herausforderung von „Open Access Publishing and Archiving“ für die wissenschaftlichen Bibliotheken.

Das vierte und letzte Podium „Reform: Policy and Advocacy“ versuchte einen Ausblick zu geben auf künftige Entwicklungen im Umgang mit Informationsfreiheit, aber auch Strategien der fortschrittlichen politischen und gesellschaftlichen Kräfte herauszuarbeiten, um diese zu verteidigen und zu sichern. Dafür bedarf es sowohl besserer und stärkerer gesetzlicher Maßnahmen, sowohl das Recht auf Zugang zu Information und Wissen betreffend als auch den Schutz der Individuen vor Überwachung und illegaler Kontrolle sowie natürlich für freie und gefahrlose Berufsausübung von JournalistInnen und Informationsfachleuten. Um dies abzusichern, wird aber auch stärkeres Engagement der politischen Organisationen wie der Zivilgesellschaft nötig sein. Ausdrückliches Ziel der Konferenz war ja, einen essentiellen Beitrag zur Verteidigung und Sicherung der Informations- und Meinungsfreiheit zu leisten. Ich denke, dass uns das gut gelungen ist. Der Erfolg kann aber noch größer werden, falls die vom Organisationsteam und dem wissenschaftlichen Beirat erstellte „Deklaration von Wien“ von möglichst vielen Menschen unterzeichnet wird. Deshalb bitte ich alle Leserinnen und Leser der Mitteilungen der VÖB, sich unserem Appell anzuschließen und die Deklaration zu unterschreiben!

Nikolaus Hamann
www.kribibi.at
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Diskussionsbeitrag Nikolaus Hamann

Ö1 Von Tag zu Tag vom 24.9.2014

Von den Mühen der Bibliothekare.
Gast: Nikolaus Hamann, Bibliothekar.
Moderation: Andrea Hauer.

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Internationale Konferenz „Freedom of Information under Pressure“

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Liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Freundinnen und Freunde von KRIBIBI!

Die Vorbereitungen der internationalen Konferenz „Freedom of Information under Pressure. Control – Crisis – Culture“, an denen KRIBIBI maßgeblich beteiligt ist, sind bereits weit fortgeschritten. Die Konferenz-Webseite www.freedom-of-information.info ist in englischer Version online, eine deutsche Fassung wird es bald ebenfalls geben. Die Anmeldung ist über die Webseite möglich.

Die Konferenz findet unter dem Ehrenschutz des Wiener Bürgermeisters Dr. Michael Häupl am 28. Feb. und 1. März im Kuppelsaal der Technischen Universität Wien statt. Die Teilnahme ist für alle angemeldeten Personen frei und kostenlos. Mittagessen am Samstag, Kaffee und Erfrischungen werden bereitgestellt.

Neben einem Hauptvortrag wird es vier Podiumsdiskussionen geben, wobei für BibliothekarInnen das dritte Podium (Recht auf Zugang zu öffentlichem Wissen) besonders interessant werden dürfte. (Der Diskussionsbeitrag von Nikolaus Hamann findet sich unterhalb) Von den meisten geplanten Diskussionsbeiträgen gibt es bereits Abstracts, noch fehlende werden laufend ergänzt (deshalb bitte immer wieder in die Webseite hineinschauen).

Ich hoffe sehr auf zahlreiche TeilnehmerInnen aus dem Bibliotheks- und Archivbereich, um auch durch die Zahl der Personen auf die weiterhin bestehende Bedeutung der Bibliotheken und Archive auch in digitalen Zeiten hinzuweisen.

Für diejenigen, die dennoch nicht kommen wollen oder können, wird es ein Live-Streaming geben, welches über die KRIBIBI-Webseite verfolgt werden können wird.

Herzliche Grüße und auf Wiedersehen bei der Konferenz
Nikolaus

Diskussionsbeitrag Nikolaus Hamann

Nikolaus Hamann / KRIBIBI / Beitrag Panel 3

"Bibliotheken, e-Medien, Menschen- und Urheberrechte"

Mein Name ist Nikolaus Hamann, ich bin Bibliothekar bei den Büchereien Wien und Mitglied des Koordinationsteams des Arbeitskreises kritischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (KRIBIBI) in Österreich, und ich habe mitgeholfen, diese Konferenz zu organisieren.

Die Voraussetzung für das Entstehen von Archiven und Bibliotheken war die Entwicklung von Schrift. Vorher waren sie nicht notwendig, da das – zum größten Teil gemeinsame – Wissen ausschließlich mündlich weitergegeben werden konnte. Das ist an und für sich eine Binsenweisheit und braucht nicht weiter erläutert zu werden.

Interessanter ist, das das Entstehen der ersten Schriften sich parallel zur sich über Tausende von Jahren erstreckenden „neolithischen Revolution“ vollzog, also parallel zum Übergang vom gemeinschaftlichen Eigentum der Horde oder des Stammes zum Privateigentum an Produktionsmitteln, also des Privatbesitzes an Grund und Boden und Viehherden. Schrift – als gegenüber der mündlichen Überlieferung dauerhafteres und exakteres Medium von Überlieferung, Wissen und Literatur – entstand also zur gleichen Zeit wie der Übergang von der Gesellschaft der Jäger und Sammler zu Ackerbau und Viehzucht, der Entstehung der ersten Klassen-gesellschaften und der ersten Gründungen von Staaten. Privateigentum musste be“schrieben“, staatliche Verordnungen und Verwaltungsakte schriftlich niedergelegt werden. Es ist daher nachvollziehbar, dass die ersten in Bibliotheken und Archiven gespeicherten „Dokumente“ Aufstellungen über Besitztümer bzw. Handels- und sonstige Verträge sowie Gesetze waren.

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